Deutsche Zeitschrift für Akupunktur
ThomasOts
Akupunktur, TCM, Psychosomatik, Graz, Österreich
Eine etwas fehlgelaufene Umfrage zu elektrischen
Methoden in der Akupunktur
Originalpublikation
Mayor D, Bovey M (2017) An international survey on the current
use of electroacupuncture. Acupunct Med. 35(1):30–37. https://
doi.org/10.1136/acupmed-2015-010929.
Abstract
Background. Despite many research publications, it is unclear
how widely electroacupuncture (EA) and related modalities are
used in everyday practice. It is also uncertain who uses them, for
what conditions, and with what results. We aimed to survey prac-
titioners about their use of and training in EA. We also sought to
determine how much the open-access English-language database
at http://www.electroacupunctureknowledge.com (EAK) is used,
or might be used in the future, if updated.
Methods. Asurvey was developed using several rounds of con-
sultation with afocus group and others. Professional acupunc-
ture membership organisations were contacted to assess their
willingness to notify their members. e survey was tested be-
fore its launch.
Results. irty-four professional organisations agreed to par-
ticipate, together with two research bodies and six UK train-
ing institutes. Potentially, around 50,000 professionals practis-
ing acupuncture knew about the survey, to which there were 768
responses. Data were analysed for respondent demographics.
Around 70 % used EA, but <25 % used related electrotherapy
modalities. Men were more likely than women to use more than
one modality. Only around 7 % of respondents used non-tradi-
tional acupuncture modalities without prior training. Howev-
er, awareness and usage of the Database Electro Acupuncture
Knowledge (EAK) database was low, although around 80 % of
respondents stated they might use the database in the future, pri-
marily to improve clinical practice.
Conclusions. To the best of our knowledge, this is the largest
survey on EA and related modalities ever conducted. As such, its
results are likely to be of interest to acupuncture and other prac-
titioners (whether or not they use EA), patients, policymakers,
and funding agencies.
Vorbemerkung: Dieser Survey über die Nutzung von Elekt-
roakupunktur wurde 2014 durchgeführt und 2016 veröentlicht.
Wir haben uns deswegen dazu entschieden, diesen älteren Survey
zu besprechen, da elektrische Methoden in der Akupunktur in
der letzten Zeit etwas populärer geworden sind und es sich hier
um den weltweit größten Survey dieser Art handelt.
Von den Studienautoren wurden alle ihnen bekannten Aku-
punkturgesellschaen angeschrieben und bei Bedarf mehrfach
kontaktiert. Insgesamt wurden 116 Organisationen erreicht, 34
(29,3
%) w
illigten ein, diese Studie zu unterstützen. 77 Organi-
sationen (66,4 %) antworteten nicht. Die Autoren schätzen, dass
ca.50.000 nichtärztliche und ärztliche Akupunkteure von die-
sem Survey wussten. Im Allgemeinen lag es in der Hand der je-
weiligen Gesellscha, wie sie ihre Mitglieder kontaktierte (Brief,
E-Mail, Homepage).
768 Akupunkteure beantworteten den Fragebogen (durch-
schnittlicher Median von 2,1
% der M
itglieder der teilnehmen-
den Gesellschaen) mit einem deutlichen Schwergewicht im
Vereinigten Königreich, allen voran die British Medical Acu-
p
uncture Society (BMAS), die Acupuncture Association of Char-
tered Physiotherapists (AACP) sowie die Japan Society of Acu-
p
uncture and Moxibustion (JSAM), die Australian Acupuncture
and Chinese Medicine Association (AACMA) und die American
Academy of Medical Acupuncture (AAMA). Diese fünf Gesell-
schaen stellten 50
% der A
ntworter. 20 Gesellschaen zeigten
mehr als 10 Studienteilnehmer. Es antworteten prozentuell ca.
doppelt so viele ärztliche und physiotherapeutische Akupunk-
teure wie Mitglieder von Gesellschaen, die von den Studienau-
toren als „traditionelle Akupunkteure“ bezeichnet wurden.
Weitere Charakteristika der Antwortenden: mehr Männer
als Frauen, eher ältere Professionisten (40–50Jahre). Professio-
nen: Akupunkturpraktiker (348), Physiotherapeuten (177), Ärzte
(175); 70 % in Niederlassung.
Der Fragebogen war sehr umfangreich. Gefragt wurde u. a.
nach den Indikationen für Elektroakupunktur: Am häugs-
ten genannt wurden: Schmerztherapie inkl. Analgesie, Neuro-
logie, Kopf- und Gesichtsschmerzen sowie muskuloskelettale
Beschwerden, aber auch Indikationen wie Ödem/Schwellung
und „Auaumaßnahmen, wenn die manuelle Akupunktur kei-
ne ausreichenden Ergebnisse zeigte, sowie Chronizität der Be-
schwerden (Tab.1; Table5 in der Originalpublikation).
Daten über die Ausbildung zur Elektroakupunktur: 72 % ga-
ben an, innerhalb ihrer Akupunkturausbildung hierin ausgebil-
det worden zu sein.
Eine nicht minder wichtige Frage betraf die Kenntnis der
Elektroakupunktur Database (EAK; www.electroacupuncture-
knowledge.com), die einige Jahre zuvor federführend vom Au-
tor David Mayor eingerichtet worden war. Nur 6,8
% ga
ben an,
vor dem Survey von dieser Datenbank Kenntnis gehabt zu haben.
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https:// doi.org/ 10.1007/ s42212- 020- 00276-2
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Hierzu erhielt der Fragebogen viele Fragen, die auf eine Optimie-
rung der EAK abzielten.
Kommentar
Eine Studie mit einem für die Autoren ernüchternden Ergebnis:
David Mayor ist ein expliziter Anhänger der Elektroakupunktur
und hat hierüber auch schon mehrfach veröentlicht. Er ist auch
Mitglied des Wissenschalichen Beirates der DZA. Er hat mit ei-
nem enormen Aufwand die EAK eingerichtet, die, wie sich jetzt
zeigte, weitgehend unbekannt geblieben ist. Allerdings meinten
80
% der R
esponder, dass sie die EAK nun nach der Teilnahme
an der Studie nutzen würden, sofern sie upgedatet würde.
Die Autoren setzen sich in der Diskussion sehr gut mit den
Schwächen der Studie auseinander. Sie erlaubt keine klare Über-
sicht darüber, wie weitverbreitet elektrische Methoden in der
Akupunktur sind.
Der wichtigste genannte Kritikpunkt der Studie: Der Fragebo-
gen wurde nur auf Englisch versendet, so kamen die Antworten
fast nur aus dem englischen Sprachraum bzw. aus Ländern, in
denen Englisch keine Sprachhürde darstellt. Bestätigt wird diese
Einschätzung durch die hohe Teilnahme aus Japan, weil dort der
Fragebogen ins Japanische übersetzt wurde.
Der zweite Kritikpunkt zielt darauf ab, wie die Studie den Mit-
gliedern der Gesellschaen bekannt gemacht wurde. Die DÄGfA
stellte z. B. die Studie auf ihre Homepage, machte hierzu keine
Aussendung. Es antworteten weniger als 10 DÄGfA-Mitglieder.
Die anderen die DZA tragenden Gesellschaen nahmen an der
Studie nicht teil. Die deutlich mitgliederschwächere Arbeitsge-
meinscha für Klassische Akupunktur und TCM (AGTCM)
sowie die Schweizerische Berufsorganisation für TCM (SBO-
TCM) und die Schweizerische Ärztinnen- und Ärztegesellscha
für Akupunktur – Chinesische Medizin – Auriculomedizin (SA-
CAM) informierten ihre Mitglieder per E
-Mail, hier antworte-
ten (in Reihenfolge der Aufzählung) 10, 39 und wiederum 10
Mitglieder.
Die Autoren benennen einen nicht minder wichtigen Nachteil
der Studie: Der Titel der Studie benannte ausschließlich den Be-
gri „Electroacupuncture“. Damit waren aber alle Methoden ge-
meint – und befragt –, die Akupunktur mit elektrischer Reizung
beinhalten, also auch TENS bzw. Transcutaneous Electrical Acu-
point Stimulation (TEAS), pTENS sowie Laserakupunktur. Die
Autoren schreiben selbstkritisch, dass durch die eingeschränkte
Namensgebung der Studie viele Akupunkteure keinen Grund sa-
hen, sich an ihr zu beteiligen.
Eine Schwäche, die von den Autoren nicht benannt wird: Sie
ergibt nicht genügend Aussagen, warum elektrische Methoden
der manuellen Reizung vorgezogen werden. Es wurde zwar ge-
fragt, für welche Indikationen elektrische Methoden eingesetzt
werden, aber die alles entscheidende Frage Nr.14: „Please indi
-
c
ate any conditions which in your experience tend to respond
better to EA or TEAS than to traditional needling“, fragte nur
nach Indikationen, bei denen elektrische Reizung besser als ma-
nuelle sei, nicht aber nach Beweggründen dieser Einschätzung,
empirischen Erfahrungen bzw. Spezitäten.
Fazit. Diese Studie mit den angehängten Supplementary Files
kann sich als wertvolle Hilfe für eine nächste potenzielle Studie
zeigen, vor allem dahin gehend, bestimmte Fehler bzw. Mängel
zu vermeiden, damit eine größere Anzahl von Respondern und
ein aussagekräiges quantitatives Ergebnis erreicht werden kann.
Meines Erachtens ist so eine Studie nur multizentrisch durch-
führbar, indem in ausgesuchten Ländern bzw. Regionen Studi-
enverantwortliche für ein besseres Recruitment sorgen.
So müssen auch die Fragen nach Indikationen zuvor auf Be-
sonderheiten unterschiedlicher Länder angepasst werden. In
dieser Studie wurde die Indikationsliste von „Analgesia or pain
relief“ und „Addiction or weight loss“ angeführt, pulmonale Be-
schwerden kamen dagegen nicht vor. Das entspricht nicht dem
Spektrum der Indikationen ärztlicher Akupunktur in Deutsch-
land oder Österreich. Auch psychosomatische Störungen werden
nicht in allen Ländern unter dem Begri „psychological condi-
tions“ subsumiert. Auch Frage 6 nach dem Stil der durchgeführ-
ten Akupunktur zeigte die sehr auf englische Verhältnisse zielen-
de Nomenklatur: „What style of acupuncture do you use most?
TCM, Five Element ... Western medical acupuncture.“ Die Five
Element School existiert bei uns faktisch nicht, aber manch ei-
ner mag gedacht haben, dass hier danach gefragt wurde, ob die
5 Wandlungsphasen eine Rolle in seiner Akupunkturpraxis be-
deuten, was dann möglicherweise eine falsch-positive Antwort
ergab. Und „western medical acupuncture“ ist zwar nicht ganz
damit identisch, was wir mit „integrativer Akupunktur“ bezeich-
nen, letzterer Begri für deutschsprachige Akupunkteure ist aber
passender.
Tab.1 Conditions considered to respond better to EA/TEAS than
MA (in rank order). (Aus [1])
Condition Responses
Low back pain (eg, disc prolapse or hernia) 50
Shoulder pain (tendinitis, frozen) 19
Knee osteoarthritis 18
Elbow pain (eg, lateral epicondylitis) 16
Pain: difficult, chronic, multiple sites 16
Stroke (hemiplegia) 16
Pain: any, or unspecified 15
Neck pain (general) 14
Myofascial pain (TrPs) 13
Hypertonicity, spasm, muscle tension, contraction due
to nerve entrapment
13
All conditions 13
Induction of labour 12
Bell’s palsy 11
Neuropathic pain (not specified) 11
Migraine 10
Radiculopathy (eg, cervical, sciatica) 10
Acute conditions 10
Literatur
1. Mayor D, Bovey M (2017) An international survey on the current use of
electroacupuncture. Acupunct Med. 35(1):30–37. https://doi.org/10.1136/acup-
med-2015-010929
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Korrespondenzadresse
DDr.ThomasOts
Akupunktur, TCM, Psychosomatik
Moserwaldweg11, 8042Graz, Österreich
Interessenkonflikt. T.Ots gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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